Werkzeuge und Maschinen der Fa. Hahn & Kolb
Über Vermittlung von Bruder Eduard Fochler, Gemischtwarenhändler mit guten Beziehungen in Wien, sind ab 1943 etwa 13 bis 14 Waggon Werkzeuge und Maschinen der Fa. Hahn & Kolb (H&K) in die Scheune der Mühle in Göllersdorf verbracht worden, um sie vor der Zerstörung durch Kriegshandlungen aber auch vor dem Zugriff der anrückenden Roten Armee zu schützen. Damaliger Wert: 3 000 000 Reichsmark!
Franz Fochler konnte im Mai 1945 nach Wien melden, dass das gesamte Lager unversehrt die Wirren des Kriegsendes und der Besatzung überstanden hat. Da es sich um „Deutsches Eigentum“ handelte, bestand aber nun die Gefahr, dass es die sowjetischen Besatzer konfiszierten. Noch dazu, wo in der Mühle einige hohe „russische“ Offiziere einquartiert waren.
Andere behaupten, dass Fochler schon nach dem Krieg Waren unterschlug und behauptete, die SS hätte das Lager geplündert.
Die Wiener Niederlassung der großen Stuttgarter Maschinenhandlung H&K ist 1938 durch den Wiener Ingenieur Ferdinand Schwach eingerichtet worden, der schon seit 1930 für diese Firma gearbeitet und vorher bei dieser in Stuttgart-Esslingen eine 6-monatige Sonderausbildung genossen hatte. Als Firmenstandort hatte man das repräsentative Haus gegenüber der Urania, Aspernplatz 1 mit zweiter Adresse Uraniastraße 2, erworben.
Ferdinand Schwach, der 1939 nach Prag gegangen war, um auch dort eine Filiale zu errichten und zu führen, kam Ende März 1945 nach Wien zurück. Angeblich traf er hier niemanden der „maßgebenden Herren der Wiener Filiale“ mehr an und entschied sich daher dafür, selbst die Leitung hier zu übernehmen, wo „das größere Vermögen“ im Vergleich zu Prag zu betreuen war.
Das verfallene Eigentum der deutschen Firma kam unter die Verwaltung des Staatsamtes für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr. Schwach bewarb sich sogleich erfolgreich als „Öffentlicher Verwalter“ der Firma. Als solcher hatte er im Namen des Staatsamtes alle Befugnisse, die sonst dem (deutschen) Eigentümer zugestanden wären. Am 6. August 1945 erhielt er den Auftrag, die Firma H&K zu liquidieren.
Angeblich mit Bewilligung des Staatsamtes gründete Schwach die Kommanditgesellschaft Schwach & Co. mit demselben Betätigungsfeld der H&K und verkaufte als deren Öffentlicher Verwalter sozusagen sich selbst als Komplementär und Geschäftsführer der Schwach & Co viele Bestände – mit hohen Rabatten versteht sich.
Als Buchhalter für die H&K engagierte er seinen Schwager Heinrich Löw, der wiederum auch an der Schwach & Co. beteiligt wurde. Da angeblich die gesamte Buchführung in Stuttgart vorgenommen worden war und es deshalb keine Unterlagen in Wien über die Bestände der Firma gab, mussten diese nun neu aufgenommen werden, wobei es kaum Kontrollmöglichkeiten von Seiten des Staatsamtes bzw. Ministeriums gab, Unterschlagungen waren potentiell leicht möglich.
Im Herbst 1945 wurden etwa 7 Waggon Material zurück nach Wien gebracht und ein Waggon ging an die Besatzungsmacht, ob auf offiziellem Weg oder als Bestechung, das ist nicht überliefert. Der Rest wurde in Göllersdorf belassen und von Franz Fochler entweder bei Schwach privat gegen Mehl eingetauscht und dann auf eigene Kosten „verkauft“, oder auch mit Schwach zusammen an diverse Abnehmer verhehlt.
Ende des Jahres 1945 dürfte es zu Unstimmigkeiten über die Aufteilung der Beute in der Ferdinand Schwach-H&K gekommen sein. Schwach kündigte Siegmund Aumann, einen seiner Außendienstmitarbeiter. Dieser begann daraufhin mit einer Reihe von Anzeigen gegen Schwach und seine Kommanditisten an das Wirtschaftsministerium, hatte aber anfangs keinen Erfolg damit. Erst im April 1946 kam der Stein mit einer Anzeige bei der Polizeidirektion Wien ins Rollen. Im November 1947 verdichteten sich schließlich die Erhebungen beim Landesgericht für Strafsachen in Wien wegen Amtsmissbrauchs und Betrugs.
Auch in Göllersdorf wurde man nervös: Franz Fochler ließ von seinem Schwager Johann Schmidl, seinem Neffen Erich Rebitzer und dem Freund der Schwester, Ribisch, die nicht abgeführten Maschinen im Schweinestall einmauern! „Der Onkel Franz wollte die Maschinen zum Verschwinden bringen, und so mauerten wir die Maschinen ein. Wenn jemand auf Besuch kam und die Maschinen suchte, fand er sie nicht mehr. Nur der Onkel, der Schmidl-Hansl und ich wussten das Versteck. Dafür bekam ich vom Onkel im Jahr 1947 einige Bohrmaschinen.“ Warum er hier den Ribisch nicht erwähnte? Ob diese Maschinen 1949 bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden?
Zu einer Anklage gegen Schwach & Co. kam es nicht:
Ferdinand Schwach verstarb plötzlich am 16. Jänner 1948 im 51. Lebensjahr im
Krankenhaus Baumgartner Höhe. Die Zeitschrift ECHO, die eine Kampagne für die
Freilassung Erich Rebitzers führte, nannte als Todesursache
„Quecksilbervergiftung“, das Standesamt Penzing unter Sterbebuch 212/45
allerdings eine „Offene Lungen-TBC“. Der plötzliche Tod wurde des Öfteren
trotzdem als Teil einer mysteriösen Todesreihe im Zusammenhang mit den Schätzen
der Fochler-Mühle genannt.
Das Verfahren gegen Ferdinand Schwach und seine beiden Kommanditisten wurde am
2. Februar 1948 von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Am 23. Februar wurde Franz Fochler samt Familie in Göllersdorf ermordet aufgefunden, alles sah nach einem erweiterten Suizid der Ehefrau aus.
Am 1. März 1948 bereits kann Siegmund Aumann die neue Generalvertretung der Stuttgarter Hahn & Kolb für Österreich übernehmen. Er hat damit den Kampf gegen Friedrich Schwach endgültig gewonnen.
Obwohl Aumann nach Angaben des Erich Rebitzer selbst mehrmals Werkzeuge aus Göllersdorf geholt bzw. bei Franz Fochler gegen Mehl eingetauscht hatte, erstattete er nun Anzeige in Korneuburg wegen Diebstahls von H&K Eigentum. Daraufhin kam es Anfang Juni 1949 zu einer Hausdurchsuchung in der Mühle, wobei noch Werkzeuge und Maschinen von enormem Wert sichergestellt und abtransportiert wurden. Zwei Tage später wurden in diesem Zusammenhang Eduard Fochler in Wien sowie Theresia und Erich Rebitzer in Göllersdorf wegen ihrer Beteiligung am Diebstahl festgenommen.
Die Anzeige hatte Aumann nur ungefährdet machen können, weil in der Mordnacht das geheime Schuldnerbuch bzw. die Buchführung über die Schleichgeschäfte des Franz Fochler entwendet worden sind.
Erst im Jahr 1952, als Eduard Fochler inzwischen 57-jährig verstorben war und Erich Rebitzer als verurteilter Mörder der Fochlerfamilie in Stein saß, kam es zum Diebstahlsprozess. Theresia Rebitzer wurde am 7. Mai 1952 wegen Diebstahlsteilnahme zu acht Monaten Kerker verurteilt, ein mitangeklagter Schmied zu drei Monaten. Ein Gerichtssachverständiger hatte errechnet, dass der Wert der 1948 noch in der Mühle vorgefundenen Werkzeuge rund 300.000 Schilling betragen habe. Nimmt man, nur zur ungefähren Abschätzung, den Lebenshaltungskostenindex 1945, so wären das heute an die 500 000 €.
Josef Kölbl, der Schwager von Erich Rebitzer, errechnete in einem Bericht an die Polizeidirektion Wien im Jahre 1957, dass zusätzlich insgesamt 2-3 Waggon Maschinen bzw. etwa 1 600 000 Reichsmark/Schilling (Wert bei Einlagerung) „verschwunden“ sein dürften. Er schätzt den Wert hochgerechnet auf das Preisniveau von 1957 auf 16 000 000 S. Und er stellt in den Raum, dass Aumann vom Tod von Ferdinand Schwach und der Familie Fochler innerhalb weniger Wochen am meisten profitiert hat und somit als logischer Täter infrage kommt.
Dass in der Mühle ein Schatz von enormem Wert vorhanden war, dürfte bei den Menschen, die davon wussten, die Gemüter erregt haben. Neid und Gier ließen Wert des Hortes in der Phantasie ins Unendliche steigen. Ringsum darbten die Menschen, es fehlte ihnen in der Zeit nach dem Krieg an allem. Nur bei den Fochlers gab es keinen Mangel. Wie formulierte es der Gendarmeriekommandant Rath in seiner Tatbeschreibung: „Wirtschaftliche oder finanzielle Gründe für die Tat der Maria Fochler kommen als Beweggründe nicht in Frage, da die Familie Fochler in dieser Hinsicht in jeder Weise sehr gut situiert war.“